Wie wirkt sich eine Arbeitszeitänderung auf den Urlaubsanspruch aus?
Vereinbarungen zur Reduzierung der regulären Arbeitszeit sind im normalen Unternehmensalltag nicht unüblich. Dass sich auch Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch bei Arbeitszeitänderung ergeben, ist zwar in der Regel klar, wie genau diese Änderungen am Ende aussehen und inwiefern das auch etwas mit der Wertigkeit des Urlaubs zu tun hat, verursacht in der Praxis allerdings immer wieder Unsicherheiten.
Beispiel
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Eine Mitarbeiterin von Ihnen arbeitet vom 01.01.2024 bis zum 30.06. 8 Stunden pro Tag bei einer 5-Tage-Woche. Ihr Stundenlohn beträgt zu diesem Zeitpunkt 15 €. Im Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.12. arbeitet sie nur noch 5 Stunden pro Tag (weiterhin an fünf Tagen pro Woche) zum selben Stundenlohn. Für beide Zeitabschnitte steht Ihr ein Urlaubsanspruch von je 15 Tagen zu. Von dem Urlaubsanspruch, der rechnerisch noch während der Vollzeit erworben wurde, sind nach dem Änderungsstichtag noch 5 Arbeitstage offen, die sie erst im August nimmt.
Was denken Sie? Ändert sich etwas am Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin und wie berechnet sich das Urlaubsentgelt?
Mit diesen Fragen haben sich auch der europäische Gerichtshof sowie das Bundesarbeitsgericht auseinandergesetzt.
Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsanspruch bei Arbeitszeitänderung
Beschäftigten darf bei der Änderung der Arbeitszeit bzw. des Beschäftigungsumfangs oder -modells kein Nachteil hinsichtlich des Urlaubsanspruchs und dessen Wertigkeit entstehen. So schreiben es mehrere Urteile des europäischen Gerichtshofs (EuGH) und Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor.
Darin festgehalten wird unter anderem:
- Beschäftigte sollen für nicht verbrauchte Urlaubstage, die vor einer Arbeitszeitänderung entstanden sind, das gleiche Urlaubsentgelt erhalten, wie es ihnen zum Zeitpunkt vor der Arbeitszeitänderung zugestanden hat. Es kann daher auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Urlaubsgewährung abgestellt werden.
- zwischenzeitliche Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur (z.B. Tariferhöhungen, Höhergruppierungen) werden dadurch berücksichtigt.
- der Betrag (Geldfaktor), der auf Basis des neuen Arbeitszeitvolumens während des Urlaubs ermittelt worden ist, muss (um den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen) mittels eines modifizierten Zeitfaktors korrigiert werden. Ständige (Monatsentgelte) und unständige (variable) Bezüge sollen per Dreisatz auf den höheren Beschäftigungsumfang vor der Arbeitszeitänderung hochgerechnet werden.
- Bei der Bemessung des Urlaubsentgelts für Urlaubstage, die vor dem Änderungsstichtag erworben worden sind, ist ein für den einzelnen Urlaubstag maßgeblicher Tagesdurchschnitt zu ermitteln.
Die genauen Bestimmungen sind zur Umsetzung der EuGH- und BAG-Rechtsprechung sind dem folgenden Rundschreiben des BMI Bund vom 20.12.2019 „Urlaubsanspruch der Tarifbeschäftigten bei Änderung des Beschäftigungsumfangs/ Beschäftigungsmodells im Laufe des Urlaubsjahres“ zu entnehmen.
Urlaub darf seine Wertigkeit nicht verlieren
Im genannten Beispiel bleibt die Arbeitszeit der Mitarbeiterin auf fünf Tage pro Woche verteilt. Der Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin ändert sich daher durch den Übergang in Teilzeit nicht. Bei einer Veränderung der Anzahl an Arbeitstagen pro Woche, muss eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs auf die Reduzierung (oder Erhöhung) der Arbeitszeit erfolgen.
Was passiert allerdings mit der Wertigkeit des Urlaubs? Mit den Informationen aus dem vorangegangenen Abschnitt können wir nun folgende Schlussfolgerungen für unser Beispiel ziehen:
Beispiel
Berechnung des Urlaubsentgelts nach Arbeitszeitänderung
Während ein Urlaubstag während der Vollzeittätigkeit der Mitarbeiterin noch 8 Stunden und damit 120 € entsprochen hat, umfasst ein Urlaubstag während der Teilzeittätigkeit nur noch 5 Stunden und damit 75 €.
Im August befindet sich die Mitarbeiterin bereits in Teilzeit. Die 5 Tage Urlaub, die Sie im August genommen hat, stammen jedoch noch von dem fiktiven Zeitabschnitt vor dem Änderungsstichtag und müssen dementsprechend mit dem Tagesfaktor der vorangegangenen Vollzeittätigkeit berechnet werden. Andernfalls würden der Mitarbeiterin 15 „Urlaubsstunden“ (5 Tage à 3 Stunden) zu wenig ausgezahlt werden (entspricht 225 €).
Das Urlaubsentgelt für die nicht verbrauchten 5 Urlaubstage, die während der Vollzeitbeschäftigung erworben wurden, beträgt daher nicht 375€ (75 € x 5 Tage), sondern 600 € (120 € x 5 Tage). Laut BAG hat die Mitarbeiterin einen Anspruch darauf, dass Ihr die Differenz ausgezahlt wird.
Urlaubsanspruch bei Arbeitszeitänderung: Ein Fazit
Wenn sich die Arbeitszeit von Mitarbeitenden verändert, muss sichergestellt werden, dass Urlaub dieselbe Wertigkeit beibehält wie zum Zeitpunkt seiner Gewährung. Reine Verringerung der Arbeitszeit darf sich daher nicht negativ auf die Vergütung von zuvor angefallenem Urlaub auswirken. Anderenfalls wird gegen das Diskriminierungsverbot für Teilzeitbeschäftigte (§ 4 TzBfG) verstoßen. Es ist daher erforderlich, das Urlaubsentgelt entsprechend den Urteilen des europäischen Gerichtshofs (EuGH) und den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu berechnen. So kann gewährleistet werden, dass Mitarbeitende bei einer Änderung der Arbeitszeit fair behandelt werden und ihre Urlaubsansprüche sowie deren Wertigkeit geschützt werden.
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